Überraschender Irak – ein sehr junges Touristenland
Liebe Reisefreunde und -freundinnen,
ihr werdet staunen über Irak. Wusstet Ihr, dass es eigentlich zwei davon gibt: Autonome Region Kurdistan im Norden und den Irak. Eigentlich das gleiche Land für uns Europäer, doch auf kultureller, wirtschaftlicher und, für uns vor allem wichtig, auf bürokratischer Ebene eben nicht!
Nach einigen schönen, doch leider erfolglosen Wartetagen in Midyat, wo wir auf das Visum für den Irak hoffen, fahren wir früh morgens ohne Visum für den Irak in die Autonome Region Kurdistan (IQ-KR) des Iraks ein. Nach 5 ½ Stunden Zoll sind wir durch alle Grenzkontrollen (mit viel Hilfe durch unsere irakischen Helfer) und auf dem Boden der Autonomen Region Kurdistan.
Was gleich überrascht sind die vielen mordernen Bauten, die westlich anmutenden Schriftzeichen auf Einkaufsläden und auch auf Straßenschildern. Es sieht hier gar nicht so fremd aus, wie erwartet.
Durch das offene Land und schöne Berggegenden fahren wir weiter bis nach Erbil. Dort werden wir bereits mitten in der Stadt auf dem geschützen Platz des Touristikministeriums erwartet.
Am Abend werden wir an diesem Marathon-Tag mit einer kurzen Fahrt durch die interessante, moderne und bunt beleuchtete Stadt in ein gutes Restaurant ausgeführt. Obwohl wir doch sehr müde waren, war dies ein gelungener und lustiger Abschluss der ersten Stecke im Irak.
Der Ausflug in den Rawanduz-Canyon in der Nähe von Erbil begeistert uns sehr. Mit dem Bus fahren wir durch schöne Landschaften, bis sich die Felswände rechts und links vor uns auftürmen. Den ersten Stopp legen wir bei einem Wasserfall ein. Wer hätte gedacht, dass Irak so eine reiche Wassermenge hat.
Nun geht es höher hinauf. Den Rest überwinden wir mit der Luftseilbahn und stehen danach auf dem Berg Korek auf ca. 2000 m. Im Schatten ist der Boden zum Teil gefrohren. Es wird also sehr kalt in der Nacht – im Winter sogar so kalt, dass auch Ski gefahren wird. Im Bergrestaurant wirkt es wie bei uns in den schweizer oder österreichischen Bergen. Sogar ein Weihnachtsbaum ist da und ein Steinbock, der den Nikolausschlitten zieht.
Die Zitadelle von Erbil, ein geschichtliches Bollwerk, ist mehr als ein Blick wert. Die befestigte historische Siedlung im Herzen Erbils gilt als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten im Irak und als Wiege der Kurden. Sie ist wohl die älteste durchgehend bewohnte Stadt der Welt, deren Spuren bis in das Jahr 6.000 vor Christus zurückreichen. Nach aufwändigen Renovationen und Restaurationen bietet die Zitadelle ein interessantes Museum zur Zeitgeschichte, Sprache und Schrift wie auch ein farbenprächtiges Museum für Teppiche.
Die UNESCO erhob die Zitadelle im Juni 2014 in den Status eines Weltkulturerbes.
Der Basar nebenan ist ein echter Hinkucker. Eine Stadt in der Stadt mit viel für das Auge. Man kann staunen über die Bauweise des Basars, die vielen Geschäfte, die Produkte und Lebensmittel und natürlich kann man sich am Leben der Menschen erfreuen.
Doch auch sonst ist um den Stadtpark im Zentrum der Stadt viel los. Die Menschen genießen die Sonne und kaufen bei den unzähligen Händlern ein. Viele Jungen schleppen mit ihren Schubkarren die Taschen der Käufer durch die schmalen Gänge zwischen den Ständen.
Der Abschluss des Ausfluges ist ein weiteres Highlight: eine Fahrt mit der Luftseilbahn über die Stadt mit Blick auch auf unseren Stellplatz.
Voller Freude machen wir uns auf zum Flughafen. Wir fliegen nach Bagdad, um das Visum für Zentralirak (IRQ) zu erhalten. Ein Visum „on arrival“ gibt es von der Automen Repuplik Kurdistan nach Irak leider nicht. Doch bei der Ankuft auf dem Flughafen in Bagdad sollten wir es erhalten. Guten Mutes müssen wir nur noch durch die Zollkontrolle (bei einem „Inlandflug“?!). Weiter geht es jedoch nicht. Jemand von den Zollbeamten hat ein Problem damit, dass wir mit Wohnmobilen eingereist und ohne weiterreisen wollen. Wir müssen unverrichter Dinge umdrehen. Oleg muss nochmals mit den Behörden sprechen – was geht hier schief?
Um unser inneres Bild vom Irak nicht noch weiter bröckeln zu lassen, besuchen wir die Ghazali-Strasse. Mit vielen Restaurants ist dieser Platz ein Anziehungspunkt für die Einwohner Erbils. Speziell, da hier mit Weihnachtsbeleuchtung nicht gespart wurde.
BAGDAD – es hat geklappt, wir fliegen! Der überkorrekte Zollbeamte entschuldigt sich sogar bei Oleg und wir werden nun beim Diplomatenschalter abgefertigt. Alles geht schnell (trotz gefühlten 100 Kontrollen) und pünklich sind wir in der Luft.
In Badgad nehmen unsere fleißigen irakischen Helfer alles in die Hand und wir können mit den frisch erhaltenen Visa in Bagdag einreisen und unser fünf Sterne Hotel beziehen.
Wir sind froh, am nächsten Morgen wieder mit dem Bus durch Bagdad gefahren zu werden. Der Verkehr ist mehr als lebhaft und die Verkehrsregeln scheinen nicht die gleichen wie bei uns zu sein.
Rechts und links schauen wir staunend aus dem Fenster. So viele kleine Verkaufsstände, Läden, Menschen mit Lasten, dreirädige Autos, Kirchen, Moscheen, Häuser im Aufbau und Häuser am Zerfallen. Eine Flut von Eindrücken prasselt auf uns ein.
Wir werden in die wieder neu errichtete Al Mustansiriya Schule geführt. Es ist eine der ältesten Universitäten der Welt. Gegründet wurde sie im Jahre 1227, ihr Aussehen erinnert an einen Palast oder eine Moschee. 100 Zimmer soll sie haben zum Lernen und Studieren, mit Laboren etc. Die beeindruckenden Mauern wurden liebevoll mit den filigranen Ornamenten wieder aufgebaut.
Gleich nebenan beginnt ein Basar. Dunkel und dicht gedrängt sind hier Laden an Laden mit bei uns schon fast vergessenem Handwerk – Lederverarbeitung, Buchbinder, Druckereien und Papierhändler, und, und, und.
Auf den Strassßn mühen sich die Lastenträger mit großen, schwer beladenen Wägen ab. Es ist kaum zu glauben, was hier noch mit reiner Muskelkraft bewegt wird.
Viele Häuser sind, wohl durch die Kriegswirren, leider in einem desolaten Zustand und kaum noch bewohnbar.
In der Stadt sieht man immer noch sehr viel Militär, doch die Soldaten wirkt nicht aggressiv. Man kann sich sogar mit ihnen fotografieren lassen. Die Hubschrauber über der Stadt erinnern allerdings immer wieder daran, dass der Irak noch nicht lange einen heftigen Krieg überstanden hat.
Wir jedoch können von sehr vielen freundliche Begegnungen erzählen.
Bei der Gedenktstätte der Märtyrer (asch-Schahid-Monument) stauen wir über die Maße des Denkmals. Bereits während des Krieges zwischen Iran und Irak wurde das Denkmal 1983 fertig gestellt. Nur die Namen der gefallenen Märtyrer mussten im Laufe des Golfkrieges erweitert werden.
Die zwei vierzig Meter hohen Schalen symbolisieren den Menschen, der beim Tod in zwei Teile zerbricht. Die Seele geht in den Himmel und triff dort auf die versprochene Belohnung. Der Brunnen mit dem fallenden Wasser symbolisiert das Blut, das den Körper verlässt.
Am Abend in Bagdad werden wir mit dem genauen Gegenteil zur trubeligen, teils heruntergekommenen Stadt konfrontiert. Die Bessergestellten von Bagdad gehen gerne in durch Sichheitskräfte geschützte, schön gepflege Anlagen essen, spazieren oder feiern. Ausnahmsweise gehören wir dazu und speisen in einem noblen, hell erleuchteten Restaurant mit goldenem Besteck (nicht echt!). Es gibt zwar keine Gläser zum Getränk (Wasser oder Süssgetränke – kein Alkohol), doch hier herrscht eine beeindruckende Atmosphäre. Das Essen ist wie immer sehr gut und sehr reichhaltig.
Noch kurz wollen wir ans Ufer des kleinen Sees, um die (Weihnachts-)Beleuchtung zu genießen. Es wirkt alles etwas fremd nach dem heuten Tag in der Stadt.
Kaum zurück in Erbil, geht es nach einem Interview mit dem lokalen Fernsehn weiter. Wir fahren nun mit unserem Visum in den Zentralirak.
Der erste Checkpoint, der die IQ-KR von IQR trennt, geht dank Vorbereitung und Hilfe unserer irakischen Truppe zügiger als erwartet. Danach fahren wir mit Militärbegleitung im Convoi. Für uns sehr ungewohnt, doch fühlen sich die meisten so sehr gut durch Kirkuk an den Stellplatz geführt. Hier spürt man auch gleich, dass dies eine mehr als freundliche Aktion der Iraker war. Die schwer bewaffneten Soldaten lassen sich gerne mit uns fotografieren und haben auch Spaß daran selbst Fotos mit uns zu schießen.
Vielen Dank an Elke und Gerd für den leckeren Glühwein zum Abschluss des spannenden Tages.
Das Sprial-Minarett von Samarra ist mit 52m Höhe sehr beeindruckend. Es gehörte zur größten Moschee der Welt. Diese wurde ca. 800 n. Chr. erbaut. Leider sind vom riesigen Gebetsteil (Grundriss von 240 × 160m) nur noch die Außenmauern vorhanden. Der Zukunftplan ist, dass hier Geschäfte entstehen sollen. Vielleicht ein Basar?
Wir dürfen mit unserer Wohnmobil-Parade direkt davor stehen. Dies ist wahrscheinlich in ein paar Jahren nicht mehr möglich.
Der Weg hoch ist sehr einfach zu begehen, solange man schwindelfrei ist, wurde er doch so angelegt, dass man mit Pferden bis fast nach ganz oben gelangen kann. Ist man jedoch nicht schwindelfrei, ist es sehr schwierig. Nach außen hin gibt es nämlich kein Geländer. Ganz schlimm wird es jedoch auf der Plattform an der Spitze. Keine Absperrung, keine Mauer, nichts! Für den Blick und die Fotos aber natürlich phänomenal.
Dass der Verkehr hier in Irak abenteuerlicher ist, das haben wir sehr schnell gemerkt. Auf dem Weg zu unserem Zwischenstopp in Bagdad artet es jedoch fast in die Ralley Paris-Dakar aus. Über holprige Staubpisten mit Spurrillen und Schlaglöchern werden wir rechts und links überholt. Die sonst so gemütlichen Iraker werden, sobald sie hinterm Steuer sitzen, zu ungeduldigen Rasern.
Wir stehen vor den (nachgebauten, jedoch in Orignalfarben gehaltenen) Toren von Babylon. Hier hat Saddam Hussein vieles ausgraben und restaurieren lassen. Es ist beeindruckend, wenn man an einem Ort stehen kann, der bereits in der Bibel erwähnt wurde. Der Turm zu Babel steht aber nicht mehr. Gemäß den übrig gebliebenen Grundrissen war er eckig und nicht rund, wie man oft meint.
Was zudem beeindruckt, sind die vielen Mauern mit ihren schönen Motiven, welche aus der Zeit 600 vor Christus noch stehen. Heute weiß kaum noch jemand, wie man so bauen kann. Und es gab viele Mauern! Je drei parallel verlaufene Stadtmauern mit einmal einem Umfang von 9km und 19km. Dazu viele Räume im Palast, welche wie ein Labyrinth angelegt waren, damit Feinde keine Chance hatten. Hier wurde achitektonisch viel überlegt. Vieles liegt jedoch noch weit unter der Erde und es gibt noch viel zu entdecken.
Der Schrein von Imam Ali ist ein gewaltiger und gut versteckter Gebetsort in der Stadt Nadjaf. Er gehört zu den wichtigsten Heiligtümern für Schiiten und auch aus anderen Ländern pilgern sie hierher.
Wir Frauen ziehen uns zwar nicht schwarz an, doch Ellbogen und Kopf müssen bedeckt werden mit einem Hijab.
Durch einen weitläufigen, lebhaften Basar geht es immer weiter bis zu einer großen Halle. Hier wirkt es wie in einer schönen Bahnhofshalle mit Teppichen. Doch das war es noch nicht – durch ein Tor (Frauen und Männer benutzen normalerweise nicht das gleiche) dürfen wir eintreten und stehen auf einem riesigen Platz mit hunderten von betenden Männern und Frauen.
Als wäre das noch nicht beeindruckend genug, trennen sich nun Frauen und Männer und betreten das Allerheiligste – es geht zum Schrein des arabischen Kalifen ʿAlī ibn Abī Tālib, dem Schwiegersohn und Vetter des Propheten Mohammed († 632). Wir können kaum weiterlaufen vor Staunen über das Glitzern und Glänzen. Das muss man gesehen haben!
Die Tage im Irak waren mehr als abenteuerlich. Etwas traurig über unsere Weiterfahrt sind wir, denn es gäbe noch viel zu sehen und viele nette Leuten, die wir noch nicht getroffen haben hier. Doch voller Vorfreude auf ruhigere Erlebnisse schauen wir Kuwait entgegen. Aufs Neue spannend und auch wärmer werden die nächsten Tage. Kommt mit uns über die nächste Grenze im nächsten Bericht!
Euer Team vor Ort
Oleg, Ararat, Claudia, Lino und Valery