Äthiopien: von Lucy und Leakey

Liebe Reisefreundinnen und Reisefreunde,

wir sind noch immer in Äthiopien, dem höchstgelegenen Land Afrikas, dem bevölkerungsreichsten Binnenland der Welt. Unsere erste Etappe haben wir bereits hinter uns, nun folgt nahtlos die Fortsetzung. Wir haben schon viel erlebt, sind aber noch lange nicht satt. Vor uns erstrecken sich die malerischsten Landschaften dieses faszinierenden Landes.

In Äthiopien gibt es ein gut ausgebautes Netz aus Asphaltstraßen, was aber nicht bedeutet, dass wir nicht dennoch besonders aufmerksam fahren müssen. Denn unmittelbar entlang der Straßen sind viele Menschen unterwegs, die, wie beispielsweise in diesem Fall, große Bündel Holz oder auch andere Waren transportieren, die bisweilen über den Fahrbahnrand ragen und von uns umfahren werden wollen.

Weder Photoshop noch andere Tricks kamen bei diesem Bild zum Einsatz: Die Sonnenuntergänge in Äthiopien sehen tatsächlich so aus! Diesen haben wir etwa 100 Kilometer von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt fotografiert.

Um ein solches Schauspiel entsprechend zu würdigen und festzuhalten, nehmen wir uns in aller Ruhe genügend Zeit – dafür sind wir ja vor allem unterwegs: um die Schönheit der Welt zu betrachten.

Anderntags das Gegenstück, das seinem Vorgänger in nichts nachsteht: in der Region des Großen Afrikanischen Grabenbruchs haben wir direkt am Rande der Schlucht übernachtet und wachen inmitten der wundervollen Atmosphäre dieses leuchtenden Sonnenaufgangs auf.

Entlang vieler Straßen lauern uns Paviane auf. Dafür, dass sie sich hier so gerne aufhalten, gibt es zwei Hauptgründe. Einerseits kommen sie aus dem kühlen Wald hierher, um sich aufzuwärmen. Der zweite Grund sind die Menschen: Viele Autofahrer werfen ihre Essensreste aus den Fenstern, manche verfüttern sie bisweilen sogar direkt an die Paviane.

Serpentinenstraßen wie diese verbinden das Tal des Großen Afrikanischen Grabenbruchs mit seinen Hängen.

Eine der bekanntesten Bewohnerinnen Äthiopiens heißt Lucy. Sie lebt in der Hauptstadt Addis Abeba und hat ihr eigenes Haus, ein riesiges Anwesen, auf dem ihr und den Ihren ein Museum gewidmet ist. Man könnte mit einigem Recht behaupten, dass Lucy all diesen Reichtum über eine Zeitspanne von 3,2 Millionen Jahren angesammelt hat. Sie gehört zur Gattung Australopithecus afarensis aus der Familie der Menschenaffen; ihr ist eine eigene Ausstellung im Nationalmuseum Äthiopiens gewidmet, die wir selbstverständlich besuchen.

Ebenfalls in Addis Abeba finden wir einen Park mit Aussichtspunkt. Der Sicherheitsdienst am Eingang lässt uns allerdings nicht passieren: Einige von uns haben keinen Pass dabei und das Mitführen von Kameras ist nicht erlaubt. Nachdem wir unseren kurzen Unmut samt Unverständnis heruntergeschluckt haben, stoßen wir auf diese schöne Installation, die uns für den entgangenen Blick über die Stadt bestens entschädigt.

Um die ausgelassene Atmosphäre dieses Gruppenfotos verständlich zu machen, müssen wir ein wenig ausholen. Immer wieder haben wir um Addis Abeba herum riesige Blumenplantagen gesehen, die bald eine immense Anziehungskraft auf uns auszuüben begannen. Wir fanden dann zwar heraus, dass diese Blumen für Auktionen in den Niederlanden bestimmt sind, jedoch nicht, wie wir in die Gewächshäuser gelangen. Der Zutritt wurde uns verwehrt. Aber anstatt Trübsal zu blasen, besuchten wir ein nahegelegenes Weingut, wo wir uns, naja, für dieses Gruppenfoto aufstellten.

Das Castel-Weingut ist das größte in Äthiopien und vor allem auf den europäischen Markt ausgerichtet. Wir werden dort bestens bewirtet und mit exzellenten Weinen versorgt. Und da der Wein wirklich außerordentlich gut schmeckt, haben wir auch keine Scheu vor ein wenig Schleichwerbung.

So sieht ein typischer Fischwilderer in Äthiopien aus. Er sitzt auf einem selbstgebauten Floß, das scheinbar jeden Moment unterzugehen droht. Er wirft sein Netz im Schilf und nahe dem Ufer aus, wo es von den Fischereiaufsichtsbehörden nicht gesehen werden kann. In diesen Ufergebieten sind außerdem Flusspferde zu Hause, die oft äußerst aggressiv auf Annäherungen reagieren. Da sie den Großteil des Tages unter Wasser verbringen, merken die Fischer oft nicht, dass sie ihnen zu nahe kommen, bis es bereits zu spät ist.

Hier haben wir einen der größten Vögel der Welt: den Marabu. Seine Flügelspannweite kann bis zu 320 Zentimeter erreichen, nur Albatrosse übertreffen ihn. Eine Schönheit ist er wahrlich nicht, aber seine beeindruckende Größe wacht dieses Manko locker wett. Aus eigener Erfahrung können wir berichten: Es ist eine Begegnung der dritten Art, wenn man den Müll rausbringt und plötzlich ein drei Meter großer entstellter Storch aus der Mülltonne aufsteigt!

Marabus sind Allesfresser; da ihre Hauptmahlzeit aus Aas besteht, trifft man sie oft in äthiopischen Städten an. Dort sitzen sie auf den Baumkronen und spähen von oben das Geschehen auf der Straße aus. Uns wird dringend davon abgeraten, unter diesen Vögeln entlangzugehen – aus auf der Hand liegenden Gründen!

Wir machen uns auf den Weg in das Omo-Tal im Süden Äthiopiens, um das Volk der Mursi zu besuchen. Die Menschen hier glauben an den Gott des Todes, Yamdu, und daran, dass die Männer an einem Gift sterben, das ihnen von ihren Frauen verabreicht wird. Eines der hervorstechendsten Merkmale dieses Stammes sind die Lippenteller, deren Durchmesser bis zu 30 Zentimeter betragen kann.

Nicht zuletzt aufgrund des vermehrten Tourismus hat sich die Situation der Mursi in den letzten Jahren stark verändert. So wird inzwischen auf stark riechende Insektenschutzmittel verzichtet, hat die Größe der Teller stark abgenommen, werden zudem Gebühren erhoben auf die Kameras und Handys der Besucher. So manches Ritual, wird uns erklärt, ist aus Gründen der Wirtschaftlichkeit neuen Gepflogenheiten gewichen.

Früher trugen Mursi-Männer ständig eine AK47 mit sich (unter anderem um ihren Wohlstand zu zeigen – ein Gewehr kostet zwischen 1500 und 2500 Euro). Heute tragen sie noch ihre Stöcke, die mal als Gehhilfe dienen, mal als Werkzeug der Dominanz. Dem Brauch, Muster in den Körper zu ritzen, wird ebenfalls noch immer nachgegangen. Hierbei werden Sand oder Holzstücke in die Schnitte eingerieben. Insektenlarven kommen ebenfalls zum Einsatz, um die schönen Muster auf und in der Haut zu erzeugen.

Der Blaue Nil ist der zweitlängste und wasserreichste Zufluss des Nils. Der größte Teil seiner Länge verläuft durch diese Schlucht, die von den ersten europäischen Entdeckern als „Große Schlucht“ bezeichnet wurde. Bei diesem Gedanken überkommt uns ein seltsames, irgendwie erhabenes Gefühl: Sind wir nicht im Grunde die Nachhut genau dieser Entdeckerkolonnen?

Heute führt über diese Schlucht eine Brücke; sie wurde im Jahr 2000 eröffnet. An dieses inzwischen bald ein Vierteljahrhundert in der Vergangenheit liegende Ereignis erinnert eine in den äthiopischen Landesfarben gehaltene Schriftskulptur. Wir fühlen deutlich, wie die Geschehnisse von heute wie von selbst die Geschichte von morgen werden.

Wir reisen mitnichten nur an Land, sondern auch mal gerne übers Wasser. Diesmal machen wir eine Bootstour auf dem Tana-See. Das erste, was wir sehen, sind diese wunderbaren Kormorane, die auf einem Baum in der Mitte des Sees sitzen, der zu dieser Jahreszeit größtenteils im Wasser steht.

Und dann sehen wir die gefährlichsten Tiere Afrikas, von denen wir schon einmal im Zusammenhang mit den Fischers gehört haben – Flusspferde. Sie begegnen uns hier zum ersten Mal in freier Wildbahn. Unter Wasser finden sie Zuflucht vor der brennenden Sonne finden. Ihre Haut ist sehr empfindlich für UV-Strahlung, weswegen sie vor allem nachts auf Nahrungssuche gehen. Wir wissen inzwischen, dass Abstand geboten ist, und halten diesen unbedingt ein, umso mehr als wir erfahren, dass jedes Jahr um die 600 Menschen diesen äußerst auf Ruhe bedachten Vegetariern zum Opfer fallen.

Die Wassergewinnung ist hier vielerorts von den Wetterbedingungen abhängig. Weht hier kein Wind, wird das Rad nicht angetrieben, erzeugt der Generator kein Strom für die Pumpe, fließt kein Wasser aus den Tiefen des Brunnens an die Oberfläche. So einfach ist das.

Dieses vorerst letzte Bild steht vielleicht symbolisch für das, womit wir uns in ganz Äthiopien unablässig konfrontiert sahen: die wesentlichste Basis einer jeden Kultur, das, was auch der unsrigen letztlich noch immer zu Grunde liegt. Um viele Erfahrungen reicher und voller Demut rollen wir nun weiter, auf zu neuen Erlebnissen, die mit Sicherheit unseren Horizont erweitern werden, sowohl den äußeren als auch den inneren.

Euer Reiseteam vor Ort,

Volker, Tsyren und Andrew